Der Umzug in die Niederlande ist für mich ein Neuanfang und gleichzeitig ein Zurückkehren. Vor 9 Jahren zogen wir von Rheinbach nach Wijnandsrade, einem kleinen Dorf in der Nähe von Maastricht. Wir, das waren damals unsere Kinder und unsere Hündin Lilly. 9 Jahre später lebe ich in einem neuen Lebenskreis. Mir gefällt der Gedanke, dass wir unser Leben in Kreisen leben. Mich erinnert dieser an die Baumringe, an denen man das Alter eines Baumes ablesen kann.
Was hat sich grundlegend für mich verändert? Ich wache früh auf und der Tag beginnt wie vor 9 Jahren und er beginnt doch anders. Anders in dem Sinne, dass ich aufstehe und mich nur, wirklich ausschließlich nur um mich kümmere. Das hat sich nach 27 Jahren, als unser erstes Kind geboren wurde, verändert. Damals wohnten wir in Stuttgart. Heute wohne ich in Sittard und es ist Montag, der erste Tag einer neuen Januarwoche, mein erster Arbeitstag im neuen Zuhause. Ja, es fühlt sich schon an wie Zuhause sein. Vor einer Woche waren wir noch mitten im Packen. Auspacken finde ich weitaus angenehmer als einpacken. Auch wenn alles gut sortiert war, passiert es, dass so manches durcheinander gerät. Und so ging es mir diesmal mit meinen Socken. Diese sind spurlos verschwunden im Nirvana der Umzugskartons. Beim Suchen dieser freute ich mich über das eine oder andere, das ich wiederfand aus Versailles. Die guten Erinnerungen füllen unser neues Zuhause mit positiver Energie. Doch die Socken bleiben noch verschwunden. Stinkefüße mag ich nicht, aber Socken bestellen wollte ich auch nicht. Also blieb mir nichts anderes übrig, als mein einziges Paar abends zu waschen. Das fühlte an wie im Campingurlaub. Genau wie unsere erste Nacht im neuen Haus. Erschöpft wollten wir uns in unser Bett spät abends fallen lassen. Ich wollte das Bett richten. Die beschrifteten Kartons mit „Bedding“ enthielten jedoch nur ein Kissen und eine Tagesdecke. Mich fröstelte, denn die Heizung funktionierte noch nicht richtig. Nur mit einer Tagesdecke war es entschieden zu kalt. Todmüde durchforsteten wir die Kartons, die im Schlafzimmer standen. Das sind die Momente, in denen du denkst, ich will einfach wieder nur Normalität, und zwar zügig. Wir hatten Glück und fanden noch zwei Gästedecken, zwar unbezogen, aber wärmend, und wir schmunzelten über die Situation. Erwin, einer der Umzugsmänner, hatte eine geniale Idee. Er meinte. “Ihr braucht doch Gardinen. Ich mache Euch welche.“ Tatsächlich war ein Sichtschutz von höchster Priorität, denn in einem Stadthaus, wie dem unserem, hat man wenig Abstand zum Nachbarn. Ich mag Offenheit, aber schlafen und duschen bevorzuge ich ungestört. Und so lagen wir ungestört im Bett mit unseren neuen "Gardinen". An jedem der drei Fenster hing, besser gesagt klebte, eine andersfarbige Folie. Diese werden ansonsten für den Transport von Matratzen genutzt. „Not macht erfinderisch“, und so waren wir Erwin für die "Gardinen" sehr dankbar. Das Scheinwerferlicht im unbewohnten Nachbarhaus strahlte verhallten in einer Mischung aus gelb, weiß und grün in unser Schlafgemach. Das sah sehr interessant aus. Die Gesamtsituation war etwas skurril und lustig zugleich. Lustig war auch, dass wir bei der Hausbesichtigung überhaupt nicht registrierten, dass das Wohngebiet noch eine Baustelle war. Das war für das Umzugsteam eine große Herausforderung, denn es gibt noch keine Wege und teilweise wurde die Einfahrt durch Baufahrzeuge blockiert.
Gelassenheit
Genau das habe ich bei den vier Männern der Umzugsfirma bewundert, wie gelassen sie die Herausforderungen angingen. Getreu der alten Weisheit: Gib mir die Kraft, Dinge zu ändern, die ich ändern kann. Gib mir die Gelassenheit, Dinge anzunehmen, die ich nicht ändern kann und gib mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Diese Gelassenheit wünsche ich uns allen im Umgang mit den Regelungen bezüglich des Umgangs mit dem Virus. Gerade hier fällt es mir nicht leicht, gelassen zu bleiben. Ich erlebe nun einen Lockdown im dritten Land und es macht mich traurig, wenn ich die leeren Geschäfte sehe. Ich versuche dann meine Aufmerksamkeit wieder auf etwas Schönes zu lenken, um nicht ins Grübeln zu verfallen. Und so habe ich mich über das bunte Markttreiben auf Abstand gefreut. Dieses ist hier ähnlich lebendig wie in Versailles, nur etwas kleiner. Was mir auch gefällt ist, dass in den Straßen Musik übertragen wird. Musik macht alles leichter, und so könnte es passieren, dass ich durch die Straßen tanze. In meiner Küche ist auch Platz zum Tanzen. Da hat sich ein Traum erfüllt: Platz. Ich koche leidenschaftlich gern und liebe es, Platz zu haben, und so ist ein Weihnachtsgeschenk, ein selbstgetöpfertes Schild von einer lieben Freundin mit den Worten „Die Küche ist zum Tanzen da“ für mich Realität geworden.
Ich wünsche dir, dass du in diesen herausfordernden Zeiten, immer wieder einen Grund zum Tanzen, Musizieren oder einfach Fröhlich-sein hast. Vielleicht hast du das große Glück und erlebst diese Wintertage im Schnee und kannst den Frieden, den die Winterlandschaft ausstrahlt, spüren.
Herzliche Grüße sendet dir deine Susann
Alexandra JAVIER (Freitag, 05 März 2021 20:18)
Liebe Susann,
das ist ein wunderschön geschriebener, inspirierender Text, der uns wieder mal darauf hinweist, was wichtig ist im Leben. Es sind die Kleinigkeiten, die Alltäglichkeiten, die sich durch unser ganzes Leben hin wiederholen und dennoch jeden Tag zu einer neuen Entdeckung machen!